DIE SIEBZIGER
JAHRE
Die ersten nennenswerten Bilder schuf Franz Politzer 1966 nach
einer Fahrradtour durch die Vogesen. Stark beeindruckt von den
Arbeiten Le Corbusiers in der Wallfahrtskirche von Rochamps waren
sie in Stil und Inhalt diesen nachempfunden.
Aber
schon bald wandte sich sein Interesse den Künstlern der Wiener
Schule des Phantastischen Realismus zu und deren Auseinandersetzung
mit Träumen und Unterbewußtem. Die ersten eigenständigen Bilder
waren demnach eine Art Wiedergabe von Geträumtem und der damit
verbundenen Assoziationen. Sehr hilfreich war für ihn dabei, daß
er schon seit geraumer Zeit ein "Traumbuch" führte, dessen Aufzeichnungen
ihm als Quelle dienten. Zu dieser Zeit brachte ihn Walter Felber,
den er durch das Basketballspielen kennengelernt hatte, mit den
Künstlern Mischael Wrobel und Christof Šubik in Kontakt, die ihr
Studium gerade beendet hatten, was Politzers Interesse an der
bildenden Kunst äußerst zuträglich war. Walter Felber war es auch,
der ihn später zu Studium der Malerei drängte.
Im Juni 1968 maturierte er in "Bildnerischer Erziehung" neben
den Fächern Latein und Mathematik. Seine außerhalb des Zeichenunterrichts
entstandenen Bilder wurden jedoch dabei nicht einbezogen. Nach
einer ausgedehnten Autostoppreise durch Westeuropa absolvierte
Franz Politzer den Wehrdienst und während seiner vielen Wachdienste,
in denen er die Freistunden zum Zeichnen nutzte, entstand eine
beträchtliche Anzahl von neuen Arbeiten
Im Herbst 1969 erwog Politzer eine Bewerbung an der Akademie der
bildenden Künste, fühlte sich aber dann doch noch nicht reif genug
für dieses Studium. Er inskribierte an der Universität Wien das
Fach Geologie und gelangte so zu einer intensiven Befassung mit
Steinen, Mineralien und Fossilien. Nach einem Jahr Geologiestudium
bestand er die Aufnahmsprüfung an der Akademie der bildenden Künste
und wurde von Professor Walter Eckert in seine Meisterklasse aufgenommen.
Anfangs führte Politzer seinen bisherigen Stil der assoziativen,
phantastischen Zeichnungen fort. Bald aber folgte eine Zeit des
intensiven Ausprobierens verschiedener Techniken und Stile, einerseits
angeregt durch den ständigen Gedankenaustausch mit den Studienkollegen,
andererseits aber auch bewußt gewollt und gefördert durch den
Leiter der Meisterklasse.
Während
des letzten Schuljahres und auch während der Zeit beim Bundesheer
hatte sich Politzers Denken schon in Richtung der 68er Protestbewegung
geschärft. Diese Bewegung hatte seine Sensibilität für gesellschaftliche
Ungereimtheiten gestärkt, allerdings ohne die damals üblichen
ideologischen Scheuklappen. So entstanden gesellschaftskritische
Bilder, die einerseits tagespolitische Themen beleuchteten, aber
andererseits auch seine Skepsis gegenüber den Akteuren und Nutznießern
der damaligen Subkultur zum Ausdruck brachten. Diese Arbeiten
zeigte er 1973 in seiner ersten Ausstellung gemeinsam mit Alois
Jurkowitsch, der eine ähnliche Thematik vertrat.
Gleichzeitig entstanden Tuschezeichnungen und Radierungen, die
Ruinen und Abbruchhäuser in Wien zum Thema hatten.
Im Frühjahr 1974 erhielt Politzer beim Österreichischen Graphikwettbewerb
in Innsbruck den Preis der Bundeshauptstadt Wien für seine Zeichnung
"Station Hernals", mit der er ein mehrschichtiges Porträt des
verfallenden Vorortelinienbahnhofs in Wien präsentierte, quasi
als Dokumentation aufgenommen knapp vor dem drohenden Abriß.
Als Akt blieb der Mensch weitestgehend aus Politzers Werk ausgespart.
Umso bemerkens-werter ist seine Sequenz "Bei den Öltanks". In
ihr plaziert er den nackten Menschen dominierend in eine - nur
durch den Titel der Bilder identifizierbare - Umgebung.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1973 entstanden die ersten Landschaftsbilder.
Diese waren keineswegs konkrete Abbilder der Natur, sondern gleichsam
eine Essenz der dem Künstler ins Auge stechenden Auffälligkeiten,
die ihn veranlaßten, diese als Sujets für seine im Atelier entstehenden
"Besonderen Landschaften" zu nehmen.
Sowohl mit den zeitkritischen, das Tagesgeschehen kommentierenden
Arbeiten als auch mit seinen "Besonderen Landschaften" stand Politzer
1974 im auffälligen Gegensatz zu den damals stark vertretenen
Spielarten der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, den
etablierten Richtungen des abstrakten Expressionismus und des
Tachismus. Diese markante Individualität führte Anfang 1974 zu
seiner ersten Einzelausstellung unter dem Titel "Tendenzen im
Realismus" im Zentrum Mozartgasse - Wien, einer engagierten Institution
für damals "junge Kunst".
Im November 1974 fand Politzers erste Präsentation in einer kommerziellen
Galerie statt, nämlich im "Österreichischen Kunstzentrum", das
damals in der Galerie Spectrum in Wien beheimatet war. Hier zeigte
er unter dem Titel "Besondere Landschaften" sowohl seine Bilder
städtischer Ruinen als auch seine ersten Landschaftskompositionen.
Bei dieser Gelegenheit lernte er die beiden jungen Kunsthändler
Peter Grebner und Ernst Hilger kennen. Im März 1975 wurde die
erste Farbradierung Politzers in der Edition Etudiante, die Peter
Grebner betreute, präsentiert. Die Grafik "Die Weide" war binnen
kürzester Zeit vergriffen. In der Folge kam es zu einer engen
Zusammenarbeit mit Ernst Hilger, in dessen Edition auch bis zum
Jahre 1978 zahlreiche weitere Farbradierungen Politzers dem Publikum
vorgestellt wurden.
Im Juni 1975 beendete Politzer sein Studium an der Akademie der
bildenden Künste Wien in der Meisterklasse von Professor Walter
Eckert mit dem Diplom. Es folgten vermehrt Ausstellungen in Österreich;
seine erste in Deutschland hatte er 1976 in Lindau.
In der Folge arbeitete Franz Politzer weiter an seiner Thematik
der "Besonderen Landschaften", aber bereits ab 1977 entstanden
parallel dazu die ersten surreale Bilder, in denen er beispielsweise
Tag und Nacht in einem Bild vereinte und miteinander konfrontierte.
Ende der 70 er Jahre verließ Franz Politzer Wien und übersiedelte
nach Deutschland.