KLEINE                                                         SONNTAG
 ZEITUNG                                              28. MAI 2000



Abstrakt kann er auch:
Franz Politzers bisher streng gehütete andere Seite
   

Manipulierte Landschaften

Ein Sammler von Auffälligkeiten, Topograph der "zweiten Natur" ein
Apologet des surrealen Landschaftsbildes: Franz Politzer in Wolfsberg

Abgesehen davon, dass der 1950 in Wien geborene Maler und Grafiker Franz Politzer in der Stadtgalerie am Minoritenplatz erstmals überhaupt Schauproben seiner abstrakten Werkgruppe präsentiert, betreten die meisten der Kärntner Galeriebesucher angesichts seiner "Bilder vom Wesentlichen" Neuland. 1991 ist Franz Politzer nach längerem Domizil in Deutschland nach Millstatt in Kämten übersiedelt, hat aber in heimischen Galerien kaum Fuß gefasst, was deshalb erstaunt, weil sein Name etwa in Deutschland durchaus als bekannt gelten darf.

  Politzers "Naturstücke" sind ein Konzentrat aus Gesehenem, an sich Eigenartigem, das sich in einer Art innerem Speicher zu Topographien bildet, die in ihrer Gebrochenheit, in ihrer seltsamen Selbst- spiegelung im scheinbaren Widersinn Kafkaesk-Magritt'sche Bezüge assoziieren lassen. Franz P. malt akribisch, gleichsam in altmeisterlicher Manier langsam Zug um Zug bedenkend. Malerische Ingenieurarbeit, Kunstprodukte einer Ein-Mann-Manufaktur, absurder Realismus mit der Konsequenz eines Propheten vorgetragen. Doch Franz Politzer ist weder Prophet noch Phantast. Er spielt mit Begriffen, spielt sie in ihre originären Werte zurück.

Nicht Natur schildert er, er plant seine Bildwerke aus Kulturlandschaften heraus, aus dem was er "zweite Natur" nennt. Vielleicht ehemalige Stadtlandschaften einer Zeit vor uns.Fragmente einer Ingenieur-genialen Hybris - unvollendet, überwuchert -, Reservate einer nachgedachten Natürlichkeit. Keine Landschaft schaut so aus wie Franz Politzer sie malt oder radiert. Manchmal aber kann es sich augenblicklich ergeben, dass man sich in einem Politzer-Bild befindet, sich die Normalität ins Absurde verwirklicht und sich der Tag einer Vision entledigt. Modern sind diese Bilder absolut nicht, kurzweiligen Moden hat sich Franz Politzer wohl auch bewusst entzogen. Zeitgemäß sind sie jedoch allemal - wären sie allerdings auch allezeit gewesen. Denn was klar und deutlich zu sehen ist, realistisch wiedergegeben also, bleibt wunderlich geheimnisvoll, bedrückt in seiner Unausgesprochenheit. Eine babylonische Erzählung Bild für Bild, ohne Drohung, Mahnung, vordergründige Kritik ohne Botschaft oder Doktrin. Franz Politzers Kunst entspricht ziemlich genau einer Formel Marcel Duchamps: Fünfzig Prozent stellt der Künstler bereit, die andere Hälfte trägt der Beschauer selbst bei.                           

                                                    Bernd Czechner

        
                          

                                                                                                WEITERE KRITIKEN