Nassauische Neue Presse
29. Mai 2000
Franz Politzer und sein fernes Paradies

Limburg. "Das Thema ist reizvoll für jeden, der Wesentliches sucht. Vielleicht finden Sie in den Bildern etwas, das sie wesentlich berührt", sagte Limburgs Erster Stadtrat Dr. Heinrich Richard. Es werden vielleicht nicht alle auf der Suche nach Inhalten gewesen sein, die am Freitag Abend ins historische Rathaus gekommen waren. Die Begegnung mit einem Künstler, das Wiedersehen mit Franz Politzer, der lange in Limburg gelebt hat, der sein Atelier in Langenscheid und dessen Frau eine Galerie in der Domstadt hatten,"die Neugier auf die neuen Werke und die Entwicklung des künstlerischen Schaffens, machten wohl den eigentlichen Reiz dieser Vernissage in den Kunstsammlungen der Stadt am Fischmarkt aus.
"Bilder vom Wesentlichen" ist der Titel der Ausstellung, die erstmals auch eine bislang unbekannte Seite Franz Politzers zeigt: Zeichnungen, Collagen, Grafiken, auch aus der Studienzeit des in Österreich gebo- renen Künstlers. Und noch eine Premiere gab es in Limburg, denn Franz Politzer stellte sein neues Buch vor, in dem sich zahlreiches Autoren mit seinem künstlerischen Schaffen auseinander setzen. Einer davon ist Hans-Christian Kirsch, Initiator des Limburger Hans-im- Glück-Preises für Jugendliteratur. Kirsch beschrieb während der Ausstellungseröffnung die Ent- wicklung des Malers vom Gegen- ständlichen zum Abstrakten, die er titelte "Hans Politzer verlässt das Paradies". Während Politzers Frühwerke noch deutliche Einmi-

 

schungen in politische Zustände seien, wende sich Politzer Land schaftsbildern zu, deren aus schnitthafte Versatzstücke die nicht mehr vorhandene Einheit zwischen Natur und Mensch zeigten. Die Landschaft scheine ein Stück Natur zu sein, sei aber viel mehr ein Konstrukt, das in den Köpfen reflektierender Menschen entstehe, sagte Kirsch. Politzers Bilder spiegelten den Konflikt beim Zusammentreffen von erster und

zweiter Natur, als zweite Natur be- zeichnete Kirsch das vom Men- schen Geschaffene. In den Werken Politzers sei aber auch die zweite Natur attraktiv, habe ihren dialektischen Reiz. Es sei ein Bewundem und zugleich Erschrecken über menschliche Leistungen. An den "Schweiß- nähten" zwischen erster und zweiter Natur werde in den Bildern Politzers eine Ahnung sichtbar, die Kirsch als fast religiös bezeichnete. Häufig gebe

es die Darstellung eines Flusses, der ins Unendliche zu führen scheine. Kirsch sprach von phantasmagorisch-realistischen Landschaften. Die Maltechnik, insbesondere die Farbigkeit, lasse glatte, schimmernde Flächen erscheinen, wodurch die Bilder "merkwürdig altertümlich" wirkten und auf Gemälde der Gotik verwiesen, die ausschließlich religiöse Inhalte hatten. Politzers Bilder "holen etwas von sehr weit her", sagte Kirsch und verwies auf die große Tiefe der Perspektiven und die häufige Verwendung von Spiegeleffekten. Politzers Modell der Landschaft habe etwas von einem fernen Paradies, das keine Menschen enthalte und das von "verträumter Schwärmerei" durchdrungen sei. Die spätere Hinwendung Politzers zur Abstraktion - nach den Worten Kirschs nach einem langen Prozess der psychischen Entwicklung - zeuge von künstlerischem Mut und vom Aufbruch zu neuen Ufern. Was so gegenständlich scheine in Politzers Bildern sei vielleicht nur ein Gleichnis.
Walter Born, Instrumentallehrer an der Kreismusikschule Limburg, begleitete die Vernissage musika- lisch. Für intensive Gespräche hat- te sich Franz Politzer am Samstag noch Zeit genommen. (cz)

Die Ausstellung in den Kunstsammlungen der Stadt im historischen Rathaus am Fischmarkt ist noch bis 9. Juli zu sehen, montags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr, donnerstags bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 17 Uhr.

Der Maler Franz Politzer (rechts) und sein Interpret Hans-Christian Kirsch bei der Vernissage. Foto: Zey